Eine Geschichte über Selbstwirksamkeit und die Arbeit mit dem Unterbewusstsein



Es war einmal ein Mädchen, das ein kleines Boot auf einem großen Meer steuerte.
Von außen sah ihr Boot ganz normal aus – ein Segel, ein Steuerrad, ein kleiner Stauraum.
Doch unter dem Boot schwamm etwas, das sie lange Zeit nicht bemerkte: ein riesiger, schlafender Wal.
Der Wal war ihr Unterbewusstsein.
Er kannte jede Strömung, jede verborgene Tiefe, jede unsichtbare Gefahr – und auch die stillen, sicheren Buchten.
Aber das Mädchen hatte Angst vor ihm, ohne zu wissen, warum.
Sie dachte:
„Ich muss nur fester am Steuerrad drehen und alles kontrollieren, dann komme ich schon irgendwie durch.“
Also verließ sie sich nur auf ihre Gedanken:
Pläne, To-do-Listen, Grübeln, Vergleichen mit anderen Booten.
Der Wal unter ihr spürte ihre Anspannung, wurde unruhig und bewegte sich mal nach rechts, mal nach links.
Die Wellen wurden höher, das Boot schwankte.
Das Mädchen dachte verzweifelt:
„Ich mache wohl alles falsch. Ich bin nicht stark genug.“
Eines Tages traf sie auf dem Meer eine alte Seefahrerin.
Diese schaute sie an und sagte ruhig:
„Du glaubst, du bist allein auf diesem Boot.
Aber du hast einen Verbündeten – mächtig, aber schüchtern: deinen Wal.
Du musst ihn nicht beherrschen. Du darfst lernen, mit ihm zu sprechen.“
Das Mädchen war verwirrt.
„Wie soll ich denn mit einem Wal reden? Ich sehe ihn ja noch nicht einmal richtig.“
Die Seefahrerin lächelte:
„Nicht mit Worten.
Mit Bildern. Mit Gefühlen. Mit deiner Atmung.
Wenn du in dir ruhiger wirst, wird er ruhiger.
Wenn du ihm zeigst, wohin du dich sehnst – nicht nur mit dem Kopf, sondern mit dem Herzen – wird er anfangen, in diese Richtung zu schwimmen.“
In der Nacht setzte sich das Mädchen ans Steuerrad, schloss die Augen und atmete tief.
Sie stellte sich vor, wie unter ihrem Boot ein freundlicher, großer Wal liegt, der nur darauf wartet, endlich gesehen zu werden.
Sie zeichnete in Gedanken ein leuchtendes Bild von einer ruhigen Bucht, warmem Licht am Ufer und einem sicheren Platz für ihr Boot.
Nach und nach spürte sie, wie die Bewegung im Wasser sich veränderte.
Die Wellen wurden weicher.
Das Boot schlingerte weniger.
Der Wal hatte ihr Bild „verstanden“.
Er begann, seine Kraft in genau diese Richtung zu lenken.
Von da an steuerte das Mädchen ihr Boot immer noch mit dem Steuerrad – aber sie wusste:
Die eigentliche Kraft kommt von unten.
Wenn sie nur gegen Wind und Wellen ankämpfte, wurde alles schwer.
Wenn sie mit ihrem Wal arbeitete – mit ihrem Unterbewusstsein –, wurde es leichter:

  • Sie schickte ihm innere Bilder, statt sich nur Sorgen auszumalen.
  • Sie hörte auf Körpergefühle, statt sie wegzudrücken.
  • Sie erlaubte sich Pausen, damit Wal und Boot sich erholen konnten.

Mit der Zeit fühlte sie sich nicht mehr ausgeliefert, sondern verbunden.
Sie war immer noch Kapitänin ihres Bootes – aber nicht mehr allein.
Die Moral der Fabel:
Selbstwirksamkeit bedeutet nicht, alles mit Willenskraft zu erzwingen.
Sie entsteht, wenn dein bewusster Teil (die kleine Kapitänin) und dein Unterbewusstsein (der Wal) anfangen, miteinander zu arbeiten.
In der therapeutischen Arbeit und in der Hypnose geht es genau darum:

  • deine inneren Bilder klarer werden zu lassen
  • deinem Unterbewusstsein neue, heilsame Wege zu zeigen
  • und zu erleben: „Ich kann etwas verändern – in mir und damit in meinem Leben.“

Du bist nicht „zu schwach“ – du hast vielleicht nur noch nicht gelernt, mit deinem Wal zu sprechen.

Selbstliebe

Unter Palmen, an einem stillen See, lebte ein Flamingo namens Luma.
Luma war anders als die anderen Flamingos.
Ihre Beine waren ein bisschen kürzer, ihr Gefieder nicht ganz so knallpink, und wenn die Gruppe sich im Wasser spiegelte, sah Luma sofort: „Bei mir stimmt etwas nicht.“
Die anderen kamen ihr perfekt vor – elegant, gerade, stolz.
Luma dagegen verglich sich ständig:

  • Mein Rosa ist zu blass.
  • Mein Hals ist nicht lang genug.
  • Ich stehe nicht so schön auf einem Bein wie die anderen.

Also versuchte sie, alles zu optimieren:
Sie stand extra lange auf einem Bein, auch wenn es weh tat.
Sie fraß bestimmte Algen, weil jemand gesagt hatte, davon werde man rosiger.
Sie übte die „perfekte Pose“, wenn die Sonne unterging und Touristen am See vorbeikamen.
Nach außen wirkte Luma diszipliniert.
Innen war sie müde.
Eines Abends setzte sich ein alter Pelikan neben sie, der den See seit vielen Jahren kannte.
Er beobachtete, wie Luma verkrampft das Bein hochzog, den Hals streckte und die Federn zupfte.
„Du siehst aus, als wärst du auf einem Dauer-Casting“, sagte er.
Luma zuckte zusammen.
„Ich muss doch gut aussehen. Sonst falle ich auf. Ich bin nicht so schön wie die anderen.“
Der Pelikan schwieg einen Moment und blickte auf die Wasseroberfläche.
„Siehst du den See?“ fragte er dann.
„Ja, natürlich.“
„Er zeigt dir jedes Detail – Falten, Federn, jede kleine Unregelmäßigkeit.
Aber weißt du, was er nie zeigt?“
Luma runzelte die Stirn.
„Wie du aussiehst, wenn du lachst, weil dir das Wasser gut tut.
Wie du andere tröstest, wenn sie müde sind.
Wie du Platz machst, damit ein jüngerer Flamingo neben dir stehen kann.
Der See kennt nur Oberflächen. Du nimmst ihn wie einen Richter. Aber er ist nur Wasser.“
Luma schaute in die dunkler werdende Fläche.
„Und was soll ich damit?“
Der Pelikan sah sie ernst an.
„Du bist wie jemand, der in einem Museum steht und nur die Rahmen bewertet.
Du vergisst, dass du selbst das Bild bist.“
Am nächsten Tag beobachtete Luma die anderen Flamingos genauer – nicht im Spiegel des Wassers, sondern im Alltag.
Die „perfekte“ Flamingodame, deren Gefieder sie so bewunderte, stolperte ständig, wenn sie versuchte, zu elegant zu sein.
Der stolzeste Flamingo der Gruppe bekam Panik, sobald ein Gewitter aufzog.
Ein anderer versteckte sich, wenn Besucher kamen, weil er sich zu dünn fand.
Auf einmal bemerkte Luma:
Hier ist niemand perfekt. Alle kämpfen mit irgendetwas. Aber sie stehen trotzdem jeden Morgen auf, gehen ins Wasser, suchen Nahrung, leben weiter.
Am Abend ging sie wieder an den See.
Sie sah ihr Spiegelbild und spürte, wie der alte Reflex hochkam: „Zu blass, zu wenig, nicht genug…“
Dieses Mal blieb sie bewusst stehen.
Leise sagte sie zu ihrem Spiegelbild:
„Ich sehe, was du alles bist – die, die immer als Erste bemerkt, wenn jemand fehlt.
Die, die Junge beschützt.
Die, die auch müde weitergeht.
Ich bin mehr als ein rosa Farbton.“
Es fühlte sich ungewohnt an, fast peinlich – aber auch erleichternd.
Von da an beschloss Luma, sich jeden Abend eine andere Sache zu nennen, die sie an sich mochte.
Nicht nur am Aussehen, sondern an ihrem Wesen.
Manchmal war es nur: „Ich bin heute nicht weggelaufen, obwohl ich Angst hatte.“
Manchmal: „Ich habe gelacht, obwohl der Tag schwer war.“
Sie wurde nicht plötzlich knallpink, ihre Beine wurden nicht länger.
Aber etwas anderes veränderte sich:
Die Anspannung in ihrem Körper ließ nach.
Sie stand auf ihrem Bein, weil es sich gut anfühlte – nicht, weil sie beeindrucken wollte.
Sie pflegte ihr Gefieder, weil sie sich wertvoll fühlte – nicht, weil sie sich verstecken wollte.
Die anderen merkten es.
„Luma, du wirkst anders“, sagte einer. „Irgendwie… ruhiger. Du strahlst mehr.“
Luma lächelte.
„Ich habe aufgehört, mich ständig zu prüfen“, antwortete sie.
„Ich lerne, mit mir zu sein, statt gegen mich.“
Der Pelikan flog eines Abends über den See und sah Luma in der Dämmerung stehen.
Kein verkrampftes Posen, keine verzweifelte Perfektion.
Nur ein Flamingo, der da war – mit allem, was er war.
Er nickte zufrieden.
Denn er wusste:
Selbstliebe ist nicht der Preis für Perfektion.
Sie ist die Entscheidung, sich selbst ein Zuhause zu sein – genau jetzt, mitten in all den vermeintlichen Makeln.
Und so lebte Luma weiter – nicht fehlerfrei, aber freier.
Ihr Rosa blieb vielleicht etwas blasser als das der anderen.
Doch wer sie ansah, hatte das Gefühl, etwas sehr Warmes, Echtes zu sehen.
Botschaft für Erwachsene:
Selbstliebe bedeutet nicht, endlich „gut genug“ zu werden, um sich mögen zu dürfen.
Sie beginnt in dem Moment, in dem du aufhörst, dich wie ein Objekt zu bewerten – und anfängst, dich wie ein lebendiges Wesen zu behandeln: mit Respekt, Milde und Loyalität zu dir selbst.